Fahrt in die Ukraine

 

Vom 09. – 13.April 2012 besuchten wir wieder einmal mit einer großen Reisegruppe die Ukraine. Zum ersten Mal nicht mit dem Bus, sondern mit dem Flugzeug. Eine bunte Truppe im Alter von 14 – 85 Jahren, je zur Hälfte aus Oberfranken und Oberbayern, untergebracht in Mehrbettzimmern mit je einer Dusche für ca. 10 Personen. Unsere Partner hatten einen Bus besorgt, mit dem wir 5 Tage durch die Ukraine reisen und unsere  Hilfsprojekte besuchen wollten.

In Ozhenin, dem Standort unserer Partnerorganisation von MIR waren wir im Gästehaus bestens untergebracht. Anatoliy erzählte von den Anfängen von MIR und zeigte uns das Gelände und die Verteilung der Güter. Da der größte Teil unserer Gruppe zum ersten Mal dort war, zeigten sie sich tief beeindruckt von der Professionalität der Arbeit. Anschließend ging es nach Rovno in die Suppenküche, die wir seit 2 Jahren betreiben. Die Besucher erzählten von ihren Schicksalen, wie dankbar sie für die Hilfe sind. Außerdem wurden die Abläufe der Hilfe erklärt. Rentner mit Pensionen unter 100.-€/Monat, Behinderte, Alleingelassene. Das soziale System in der Ukraine besteht praktisch überhaupt nicht, es gilt das Recht des Stärkeren, Schwache kommen unter die Räder.

Danach das Waisenhaus Rovno: wir erhielten viel Dank vom stellvertretenden Direktor für die Babynahrung ( Nestle und Hipp) und freuten uns sehr, als sich herausstellte, dass er gläubiger Christ ist.

Der anschließende Besuch der Gedenkstätte Sosinki war bewegend. Hier wurden im Herbst 1941 an 2 Tagen 17.500 jüdische Menschen von den Nazis ermordet. Der Leiter einer  jüdischen Hilfsorganisation in Rovno, Genadiy Freiermann ist ehemaliger Offizier der roten Arme und erklärte uns viele Hintergründe. Angesprochen auf seine Anstecknadel am Kragen erzählte er uns: „Ich bin Veteran von Tschernobyl. Vor 25 Jahren habe ich nach der Reaktorkatastophe 42 Tage lang auf dem Reaktorblock Trümmer weggeschauffelt. Die meisten meiner Kameraden sind gestorben.“

Abends war Gottesdienst in der Pfingstgemeinde Brodovo. Zuhause bei Freunden – Beate Schmitt und Sepp Ranner erzählten aus Ihrem Leben und wir hatten eine wunderbare Gemeinschaft.

Der nächste Morgen begann mit einem Problem – unser Bus war kaputt und Ersatz musste beschafft werden, wodurch unser Programm über den Haufen geworfen wurde. Allerdings hatten wir so Gelegenheit im Dorf spazieren zu gehen und bei einer Vorstellungsrunde erzählte jeder von uns ein wenig Persönliches. Dies gab dem Rest der Reise von nun an eine sehr persönliche Ebene. Mit dem Ersatzbus fuhren wir am dritten Tag nach Starokonstantyniv, der „Suppenküche von Creussen und von Inge Zapf“. Seit sechs Jahren sponsert Inge mit einem Freundeskreis diese Arbeit. Zum ersten Mal besuchte sie „ihre“ Suppenküche. „Frau Iiiingää, Frau Iiingää“ – so wurde Inge Zapf begrüßt und es gab eine sehr bewegende Zeit auf beiden Seiten.

Ein LKW von MIR entlud Kleidung in den Lagerraum der Gemeinde und wir bekamen einen Eindruck wie die Hilfsgüter verteilt werden. Nach dem Abschied von Anatoliy, dem Leiter von MIR und Tolik, dem Übersetzer, fuhren wir nach Zhitomir, wo wir bereits von Arkadiy, unserem Freund und Leiter der Hilfsorganisation „House of Bread“ erwartet wurden. Am nächsten  Morgen stand der Besuch bei „Mission to Ukraine“ an. Eine faszinierende Arbeit unter schwangeren Frauen und behindereten Kindern.

Da unsere Gruppe sehr groß war und wir auch Menschen daheim besuchen wollten, teilen wir uns auf vier Untergruppen auf und besuchten vier verschiedene Suppenküchen im Umkreis von Zhitomir und jeweils Menschen daheim. – Ergreifende und erschütternde Schicksale und Begegnungen. Eine Frau mit 80 Jahren erzählte uns, wie sie 1942 die Auslöschung der gesamten jüdischen Bevölkerung in der Stadt Berdichev als zehnjähriges Mädchen überlebt hatte. Ihre gesamte Familie wurde ermordet – mit mehr als 30.000 anderen jüdischen Bewohnenern der Stadt. Massaker dieser Art gab es währen des Krieges viele – fast keine davon sind in Deutschland bekannt.

Der Leiter des Kankenhauses besuchte uns und bedankte sich ebenfalls sehr für die gelieferte Babynahrung. Er gab uns einen erschütternden Einblick in das ukrainische Gesundheitswesen.

Zum Abschluß der Reise machten wir am letzten Tag eine Fahrt durch Kiew mit Besuch der Gedenkstätte Babij Jar – dem Ort der größten Massenexekution im 2. Weltkrieg – mehr als 33.000 Juden aus Kiew wurden hier an 2 Tagen erschossen. Ein bedrückender, aber wichtiger Besuch.

Mit vielen tiefen Eindrücken, Erfahrungen und Begegnungen kamen wir am Freitagabend wieder in München an – die Reise wirkt noch lange nach. Und wenn die Daheimgebliebenen sagen “ Ja, ich kann mir schon vorstellen, wie das ist…“, muß man sagen: “ Nein, Du kannst es Dir leider nicht vorstellen.“ Vielleicht fahren wir nächstes Jahr wieder…